Insolvenz des Arbeitgebers
Was genau passiert bei Insolvenz des Arbeitgebers?
Wie läuft ein Insolvenzverfahren des Arbeitgebers ab?
Was genau passiert mit den nicht erfüllten Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer?
Was sollte der Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachten?
Welche Forderungen des Arbeitnehmers sind vor der Insolvenzanfechtung des Verwalters geschützt?
Welche weiteren besonderen Rechte und Pflichten hat der Insolvenzverwalter?
Was genau versteht man unter einem „Sozialplan“?
Was genau passiert bei Insolvenz des Arbeitgebers?
Auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers wird beim Insolvenzgericht ein Insolvenzverfahren nach § 11, § 13 und § 16 InsO eröffnet. Der Gläubiger muss hierfür nach § 14 Abs. 1 InsO sein rechtliches Interesse an dem Insolvenzverfahren glaubhaft gemacht haben. Der häufigste Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, das heißt der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 InsO unfähig, seine Zahlungspflichten zu erfüllen. In Ausnahmefällen kann bereits die Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO zu einer früheren Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen. Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann und die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich ist.
Eine Pflicht zur Insolvenzeröffnung trifft den Arbeitgeber nur, soweit dieser eine juristische Person ist, also z.B. eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft und somit gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO spätestens drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung den Antrag stellen muss.
Auch bei einer GmbH & Co. KG oder GmbH & Co. OHG trifft den Arbeitgeber eine Antragspflicht, wenn der persönlich haftende Gesellschafter keine natürliche Person ist.
Wie läuft ein Insolvenzverfahren des Arbeitgebers ab?
Das Gericht bestellt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter, um ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen zu vermeiden. Dieser prüft den geltend gemachten Insolvenzgrund und die in Betracht kommende Masse des Insolvenzverfahrens.
Nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO kann in besonders verheerenden Fällen das Gericht auch ein allgemeines Verfügungsverbot des Schuldners aussprechen, wonach die allgemeine Verfügungsbefugnis bereits vor Verfahrenseröffnung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
In der Regel hat der Insolvenzverwalter nach Anordnung des Gerichts nur eine beschränkte Verfügungsbefugnis, sodass beispielsweise nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO Verfügungen des Schuldners zuvor der Zustimmung des Verwalters bedürfen.
Dagegen fehlt dem Insolvenzverwalter regelmäßig die rechtliche Befugnis zur Freistellung oder gar Kündigung von Arbeitnehmern sowie zur Erteilung von Arbeitsanweisungen, die im Regelfall beim Arbeitgeber verbleibt.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird vom Gericht beschlossen und ein Insolvenzverwalter ernannt (der in der Regel mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter übereinstimmt). Bei zu geringer Insolvenzmasse wird das beantragte Insolvenzverfahren ausnahmsweise mangels Möglichkeit der Kostendeckung des Verfahrens abgelehnt. Auch kann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Gläubiger innerhalb des vorläufigen Verfahrens zurückgenommen werden. Häufig geschieht dies, wenn der Gläubiger den Antrag nur gestellt hat, um den Schuldner vor einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens warnen wollte. Bezahlt der Schuldner allerdings seine Verbindlichkeiten, besteht kein Interesse mehr des Gläubigers an der Verfahrensdurchführung.
Was genau passiert mit den nicht erfüllten Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer?
Nicht gezahlte Lohnansprüche der Arbeitnehmer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, werden zu Insolvenzforderungen. Diese müssen beim Insolvenzverwalter angemeldet werden, die daraufhin von diesem geprüft und gegebenenfalls bestätigt werden. Sobald der Insolvenzverwalter diese zur Tabelle hinzugefügt hat, müssen diese bei Beendigung des Verfahrens je nach zur Verfügung stehender Insolvenzmasse erfüllt werden. Notfalls übernimmt die Arbeitsagentur den Anteil der nicht erfüllten Insolvenzforderungen im Rahmen der noch ausstehenden Lohnansprüche des Arbeitnehmers. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bleiben nach Insolvenzeröffnung die bestehenden Arbeitsverhältnisse des insolventen Arbeitgebers bestehen, woraus immer neue Lohnansprüche der Arbeitnehmer folgen.
Die zukünftig entstehenden Lohnansprüche des Arbeitnehmers werden als sog. „Masseverbindlichkeiten“ behandelt, die gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden müssen. Diese müssen im Gegensatz zu Insolvenzforderungen im vollen Umfang von der Insolvenzmasse erfüllt werden und sind somit wertvoller als Lohnforderungen, die vor Eröffnung entstanden sind.
Bei Ausbleiben der Erfüllung von Lohnforderungen kann der Arbeitnehmer den Insolvenzverwalter wie ein Arbeitgeber auf Vergütungszahlung verklagen.
Sollte die vorhandene Insolvenzmasse auch nicht zur Erfüllung der Masseforderungen ausreichen (sog. „Massearmut“), können auch diese privilegierten Masseforderungen nicht erfüllt werden.
In Ausnahmefällen können diese Forderungen nach angezeigter Massearmut als neu entstandene Lohnforderungen vom Arbeitnehmer eingeklagt werden, § 209 Abs. 2 InsO, wenn dieser vom Insolvenzverwalter weiterhin beschäftigt wird oder der Insolvenzverwalter den frühestmöglichen Ausspruch der Kündigung versäumt hat.
Was sollte der Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachten?
Es besteht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter die kurz vor Insolvenzeröffnung erbrachten Lohnzahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung wieder vom Arbeitnehmer herausverlangt. Die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO besteht, sobald kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzelne Forderungszahlungen des Arbeitgebers zu einer verringerten Gesamtinsolvenzmasse der restlichen Gläubiger geführt haben.
So ein Fall liegt gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vor, wenn drei Monate vor Insolvenzeröffnung Forderungen erfüllt werden, der Arbeitgeber bereits zahlungsunfähig nach § 17 Abs. 2 InsO war und der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder die Umstände bereits kannte. Bei Zahlungen nach Antrag der Insolvenzeröffnung besteht nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ein solcher Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters, wenn der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit oder die Umstände kannte.
Um die Insolvenzanfechtung zu verhindern, sollte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bei bevorstehender Insolvenz auf Lohnzahlung verklagen oder den Arbeitnehmer jedenfalls durch Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zur Vergütungszahlung zwingen.
Diese Art der Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO besteht nicht für Forderungen, die der Arbeitnehmer im Wege eines Gerichtsurteils oder eines gerichtlichen Vergleichs durchgesetzt hat. Diese können allerdings nach § 131 InsO angefochten werden, wenn die Zahlung im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde, die Zahlung im zweiten oder dritten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde und der Arbeitgeber zahlungsunfähig war oder wenn die Zahlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde und der Arbeitnehmer Kenntnis von der Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger durch die Zahlung hatte.
Welche Forderungen des Arbeitnehmers sind vor der Insolvenzanfechtung des Verwalters geschützt?
Sollte es sich bei den Forderungen um Bargeschäfte handeln, sind diese von der Insolvenzanfechtung nach § 142 InsO ausgenommen. Sobald der Arbeitgeber diese innerhalb der letzten drei Monate vor Insolvenzantrag beglichen hat, können diese kein Gegenstand der Insolvenzanfechtung mehr sein. Hierbei gilt die Vermutung des Bargeschäfts nach § 142 InsO zugunsten des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 06.10.2011, 6 AZR 262/10).
Welche weiteren besonderen Rechte und Pflichten hat der Insolvenzverwalter?
Der Insolvenzverwalter kann den Arbeitnehmer grundsätzlich nach den allgemein gesetzlichen Regeln kündigen.
Allerdings kann der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer unter einfacheren Voraussetzungen kündigen. Dieser hat generell nach § 113 Satz 1, 2 InsO nur eine Kündigungsfrist von maximal drei Monaten zu beachten. Die vereinbarte Vertragsdauer oder der vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündigung gilt im besonderen Fall des Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers nicht. Auch besteht für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, mit dem Betriebsrat eine Namensliste zu vereinbaren auf der die gekündigten Arbeitnehmer verzeichnet sind. Die verzeichneten Arbeitnehmer haben einen verkürzten Kündigungsschutz nach § 125 InsO und können ihre Kündigung nur unter erschwerten Bedingungen vor Gericht geltend machen. Mitunter kann der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer in besonderen Fällen durch gerichtliches Verfahren nach § 126 InsO herausklagen.
Allerdings hat der Insolvenzverwalter außerhalb der Kündigungsfrist die besonderen kündigungsrechtlichen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, wie beispielsweise die Anhörung des Integrationsamtes bei Schwerbehinderten nach § 85 SGB IX, zu beachten. Auch muss der Insolvenzverwalter die Vorschriften des KSchG beachten, somit die Kündigung durch das Vorliegen eines speziellen Kündigungsgrundes rechtfertigen.
Was genau versteht man unter einem „Sozialplan“?
Bei geplanten Änderungen des Betriebes wie beispielsweise eine Massenkündigung von Arbeitnehmern muss der Insolvenzverwalter den Betriebsrat anhören. Gem. § 113 BetrVG steht hier der gerechte Interessenausgleich im Vordergrund. Der Betriebsrat kann den Insolvenzverwalter zur Erstellung eines Sozialplans verpflichten. Die Durchführung eines Interessenausgleichs erfordert nach § 113 Abs. 3 BetrVG die Unterrichtung des Betriebsrats und einen Anruf bei der Einigungsstelle. Um das Insolvenzverfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen, kann der Insolvenzverwalter bei geplanter Betriebsänderung die Zustimmung des Arbeitsgerichts auch ohne durchgeführtes Verfahren vor der Einigungsstelle nach § 122 InsO beantragen. Es wird vorausgesetzt, dass der Insolvenzverwalter den Betriebsrat informiert, dabei müssen allerdings keine Verhandlungen mit dem Betriebsrat zustande kommen.
Damit das Gericht dem Antrag zustimmt, müssen die wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers die Vorwegnahme begründen und zudem die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer nicht zu sehr in den Hintergrund gerückt werden.
Durch die Insolvenz des Arbeitgebers entstehen zwei unterschiedliche Arten von Gläubigern: die Arbeitnehmer und die anderen Gläubiger des insolventen Arbeitgebers. Die Verbindlichkeiten der Arbeitnehmer sind nach dem Sozialplan Masseverbindlichkeiten und werden gegenüber den anderen Forderungen vorrangig erfüllt.
Sollte die Insolvenz des Betriebes drohen, dann sind sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber gut beraten, wenn sie sich an einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden.